Die Fallgruben für den Euro

 

In einem Beitrag über ökonomische Altlasten dürfen ein paar Worte zur EWWU (Europäische Wirtschafts- und Währungsunion) und zur EZB (Europäische Zentralbank) nicht fehlen. Denn das Gebäude des Euro steht auf einem schiefen Fundament voller Altlasten, und die EU (Europäische Union) produziert fortlaufend weitere, weil fast alle Spitzenpolitiker – insbesondere der grossen Länder – unfähig sind, die schweren Strukturschwächen ihrer Volkswirtschaften zielstrebig und mutig zu korrigieren. Darüber ist buchfüllend geschrieben worden (vgl. Baader 1993) oder (s. Hirt 1999, S.7ff.). – – – Ein paar Stimmen, die zum Nachdenken anregen sollen:

  • «Maastricht ist der Versailler Vertrag ohne Krieg.» (Le Figaro)
  • «Der Euro wird kommen, aber er wird keinen Bestand haben.» (Alan Greenspan, 1998)
  • «Die EZB erfüllt nicht eine einzige der Voraussetzungen, die für eine stabile Währung erforderlich sind.» (Fredmund Malik)
  • «Der Euro wird zu einem massiven Sterben des Mittelstands beitragen. Was übrigbleibt, ist ein Europa der Konzerne, Kartelle und Monopole. Und mit Sicherheit wird Euroland Sozialkonflikte produzieren.» (Wilhelm Hankel)
  • «Die drei Achillesfersen des Euro sind: eine machtlose EZB, nicht marktfähige Sicherheiten der öffentlichen Hand und die fehlende Instanz für Liquiditätskrisen – schwerwiegende Mängel mit hohem Gefahren-Potential.» (Gunnar Heinsohn + Otto Steiger)

Malik (St. Gallen), Hankel (Frankfurt) und Heinsohn + Steiger (Bremen) sind nicht Wirtschaftsprofessoren im einsamen Elfenbeinturm, sondern kritische und intensiv nachdenkende Hochschullehrer, die seit Jahren auf die Fehlkonstruktion des Euro aufmerksam machen, ohne allerdings bisher genügend Wirkung erzeugt zu haben. Heinsohn + Steiger haben das Dilemma in einem Sonderbeitrag präzis und konzis für ihren Kollegen Malik zusammengefasst (M.o.M. 1999, S.21 ff.). Die Achillesfersen dieser «monströsen Missbildung» sind: 

  • Als der Euro nach schwieriger Schwangerschaft mit relativ harmlosen Wehen geboren war und die ersten Gehversuche besser als erwartet bewältigte, schienen sich die optimistisch überzogenen Voraussagen vieler Politiker zu bewahrheiten; die blutenden Achillesfersen bewegten nur noch wenige «unverbesserlichen Kritiker». Übersehen wurde insbesondere, dass bei der EZB mit einem Kapital von 40 Mrd.6 lediglich 5% der Aktiva der NZBs (Nationale Zentralbanken) liegen. Zu dieser massiven Einschränkung passt, dass das sechsköpfige EZB-Direktorium nicht ohne Rücksprache entscheiden und handeln kann; es ist in den siebzehnköpfigen Rat der EZB eingebunden, in dem die elf Präsidenten der NZBs automatisch die erforderliche Mehrheit haben. Das Macht-Vakuum der EZB wird der EU und der Weltwirtschaft bei kommenden Währungskrisen gehörig zu schaffen machen.
  • Bunt und (fast) fälschungssicher gedruckte Scheine der Notenpresse sind nur Papier – erst bei über die Notenbank laufenden Verschuldungsprozessen mit Hereinnahme erstklassiger Forderungen (u.a. Wechsel) wird das Papier zu wirklichem Geld, wobei die Notenbank-Aktiva die Qualität der Währung prägt: Bessere Sicherheiten stärken die Währung. Da die Geldscheine vom EZB-Präsidenten Wim Duisenberg unterzeichnet und für die Bürger als EZB-Note daherkommen, nicht aber von der EZB, sondern von den NZBs gedruckt sind, zeichnen sich schwere Kollisionen ab. Die Noten aus Griechenland, Italien und Deutschland sind äusserlich identisch, aber mit unterschiedlichen Sicherheiten in den Bilanzen der jeweiligen NZBs emittiert, die von der EZB nicht kontrollierbar sind: Eine Konfusion der Bonitäten, welche dem Euro letztlich schlecht bekommen wird!
  • Mit dem Regelwerk des Maastricht-Vertrags werden EZB und ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) verpflichtet, eine einheitliche Geldpolitik zu verwirklichen. Schwerwiegende Konstruktionsfehler liegen nicht nur bei der Machtausstattung der EZB und der zentralen Überprüfung, noch gravierender und schlicht nicht nachvollziehbar ist das Vergessen einer Instanz als «lender of last resort» für «Feuerwehrübungen» bei aufkommenden Währungskrisen. Die EZB kann diese Institution gerade nicht sein (wie viele Zeitgenossen annehmen), weil sie innerhalb des dezentralen ESZB keine europäische Super-Bundesbank ist, sondern eine vergleichsweise machtlose «Mutter» – mit bloss 5% aller Reserven – für elf viel mächtigere NZB-Töchter.

Dass die viel zu weit vom klassisch-liberalen Gedankengut abgekommenen Politiker laufend solchen Unsinn produzieren, daran hat man sich (leider) gewöhnt. Dass aber Spitzenbanker und Notenbanker diese zum Scheitern verurteilte Fehlkonstruktion nicht rechtzeitig durchschaut haben, ist ein entlarvendes Armutszeugnis für eine Elite, die so viel auf sich hält – und uns viel Ärger und weitere Altlasten mit kostspieligen Konsequenzen beschert. Dabei fällt ins Gewicht, dass Hans Tietmeyer, der Notenbank-Präsident des wirtschaftsstärksten europäischen Landes, das Prozedere mitgetragen hat; hingegen erstaunt wenig, dass die Franzosen, die ja liebend gern den ersten Vorsitz der EZB übernommen hätten, in falschen Spuren gewühlt haben.

November 2003

Ein paar illustrierende (auch schockierende) Zahlen

Die Macht der ökonomischen Altlasten: Einleitung