WALTER HIRT

 

10. Oktober 2002 

An den Schweizerischen Bundesrat und an die
Schweizerische Bundesversammlung
Postfach

3003 Bern

 
PETITION
Die Goldverkäufe der SNB
sind ab sofort einzustellen!
 

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Villiger
sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte
sehr geehrte Damen und Herren Parlamentarier 

Sie erhalten diese Petition wohlwissend, dass die Schweizerische Nationalbank die Gold-Verkäufe aufgrund der neuen Währungsverfassung und der Gesetzgebung eigenständig durchführen kann und trotz meiner Überzeugung, dass unsere Notenbank vollkommen unabhängig bleiben muss. Da anlässlich der Verkündung der «Stiftung Solidarische Schweiz» am 5. März 1997 durch den damaligen Bundespräsidenten Arnold Koller sowie im Vorfeld seiner Ankündigung als auch danach eine recht enge Tuchfühlung zwischen SNB und Regierung festzustellen war – der frühere Präsident der Direktion der SNB, Dr. iur. Hans Meyer, soll ja die Idee der Stiftung und deren Speisung mit «überflüssigen» Goldreserven an den Bundesrat herangetragen haben – gelange ich mit der dringenden Bitte an Sie, Ihren politischen Einfluss im Sinne meiner Petition auf die SNB einwirken zu lassen. 

Begründung der Petition:

  • Die Währungsreserven der SNB (der Schweiz, des Volkes) sollen «ausreichend» sein und der Verwirklichung einer verantwortlichen Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes dienen.
  • Wieviel der Währungsreserven als ausreichend zu beurteilen sind, ist offenbar auch im Kreise der SNB nicht eindeutig zu quantifizieren. Im Laufe meines Briefwechsels mit der SNB vom 28. Dezember 2000 bis 8. November 2001 schrieb mir Dr. Georg Rich u.a.: «Es gibt keine Methoden, um objektiv zu bestimmen, ob ein Land ausreichend hohe Währungsreserven hält. Tatsache ist, dass die Schweiz auch nach der Ausgliederung der Hälfte des SNB-Goldbestandes für andere als währungspolitische Zwecke immer noch zu jenen Ländern gehört, die über hoch dotierte Währungsreserven verfügen.» – Relationen zu anderen Staaten sind zwar eine vergleichende Feststellung, aber keine hinreichende Begründung für als «überflüssig» deklariertes Gold.
  • Neben der Menge der Währungsreserven ist deren Bonität ein entscheidender Faktor für die Zahlungsfähigkeit des Landes in schwieriger Zeit. Deshalb ist ein kritischer Blick auf die Aktivseite der SNB unerlässlich (Quelle: Geschäftsbericht 2001):
  • Die Aktiva bestehen hauptsächlich aus
    – Gold: 32.982 Mrd. CHF bei 14'978 CHF/kg
    – Devisenanlagen inkl. Reserveposition beim IWF: 53.246 Mrd. CHF
    – Forderungen aus Repo-Geschäften in Schweizer Franken: 25.912 Mrd. CHF
    – Wertschriften in Schweizer Franken: 6 Mrd. CHF
  • Das Total der Aktiva beträgt 120.153 Mrd. CHF, rund die Hälfte sind Fremdwährungen in Form von Devisen und zinstragenden Schuldverschreibungen. Es ist zu beachten, dass sowohl die Devisen als auch die «Wertschriften» neben dem Kursrisiko auch ein Bonitätsrisiko aufweisen: Banknoten sind Schuldscheine einer Notenbank, Obligationen sind Schuldpapiere eines öffentlichen oder privaten Schuldners.
  • Gold in physischer Form ist hingegen ein realer Wert, ohne irgendwelche verknüpften Verpflichtungen; Gold weist ein Kursrisiko auf, ist aber frei von Bonitätsrisiken. Und Gold ist weder «barbarisches Metall» noch überflüssig!
  • Wer die internationale Schulden-Orgie beobachtet, muss feststellen, dass die Bonitäten global und fortlaufend abnehmen; das gilt nicht nur für Obligationen, sondern ebenso für Devisen – mit grössten Positionen in USD und EUR – sowie für viele der Finanz-Institute selber, auch wenn deren Tätigkeit und Resultate nicht immer in den Schlagzeilen stehen.
  • Alle diese Volkswirtschaften sind hochverschuldet: Die USA weisen eine Gesamtverschuldung von über 300% des BIP auf (Öffentliche Haushalte, Unternehmen, Finanz-Industrie und Konsumenten), so dass rund ein Fünftel der Wirtschaftsleistung für Zinsen ausgegeben werden müsste. Weil das unmöglich ist, muss ein Teil der Zinsen (ohne Amortisationen) mittels weiterer Verschuldung «beglichen» werden, was hauptsächlich für die sinkende Bonität verantwortlich ist. Die Volkswirtschaften der EU-Staaten sind ähnlich hoch oder noch höher verschuldet, falls die nicht passivierten Verbindlichkeiten des Staates für die Sozialversicherungen eingerechnet werden. Das Systemrisiko hat in den letzen Jahren laufend zugenommen, so die BIZ, Alan Greenspan u.a.
  • Fazit 1: Mit jedem Gramm Gold, das die SNB verkauft, schwächt sie die Aktivseite und damit die Bonität des Schweizer Frankens sowie den traditionell angesehenen Status der Schweiz, weil der Anteil der bonitätsabhängig sich entwertenden Anlagen immer grösser und «papierener» wird.
  • Fazit 2: Da eine Notenbank in erster Linie auf die Sicherheit ihrer Währung und damit auch auf die Bonität ihrer Reserven zu achten und nicht eine gewinnorientierte Politik zu verfolgen hat, erhält das Gold wegen der weltweiten Verluderung der Finanzen und der massiv zunehmenden Probleme in der Finanz-Industrie ein grösseres Gewicht.
  • Fazit 3: Es ist nicht darüber zu diskutieren, wie der Erlös aus dem verkauften Gold (der ja wiederum als Devisen oder in Risiko-Papieren angelegt werden muss) oder dessen Ertrag verteilt werden soll, sondern ob überhaupt Gold verkauft werden darf! Die jüngsten Erfahrungen der AHV und der Pensionskassen mit ihren gravierenden Anlageproblemen sollten als letztes Mahnmal verstanden werden.
  • Fazit 4: Sollte die SNB tatsächlich mit zu vielen Reserven gepolstert sein, wäre der Begriff «überschüssige Währungsreserven» zu definieren, so dass sich die Trennung von einem Teil der Devisen-Reserven anbieten würde. Dies scheint deshalb eine heikle Frage zu sein, weil auf diesen Positionen kaum aufgelaufene Buchgewinne realisierbar sind.

Es ist ja nicht so, dass dieser Problemkreis nicht intelligent und ausreichend ausführlich abgehandelt worden wäre; pikanterweise sind diese Beiträge aber bestmöglich totgeschwiegen worden und nicht in die breite Diskussion eingeflossen. Erwähnt seien hier insbesondere Beiträge, die meine Petition einwandfrei stützen:

  • «Ein nüchterner Blick auf glänzendes Gold», von Professor Dr. Jörg Baumberger, in der NZZ, 8. August 2002.
  • «Wohin mit «überflüssigem» Gold?», von Professor Dr. Jörg Baumberger, in Schweizer Monatshefte, 82. Jahr / Heft 9.
  • «Gold rentiert real seit 1970 besser als Dollaranlagen», von Professor Dr. Peter Bernholz, in Finanz und Wirtschaft, 9. Februar 2002.
  • «Ein Goldschild gegen Kapitalmarktrisiken – Warum Notenbanken ihre Goldbestände hüten sollten», von Benedikt Koehler, Direktor «World Gold Council», in der NZZ, 12 September 2002.
  • «Gold auf dem Irrweg», von Markus Schneider, in Die Weltwoche, Nr. 35/02.
  • «Der Golderlös ist schlecht angelegt», von Iwan Städler, im Tages-Anzeiger, 1. November 2000.
  • «Kaspar Villigers Glücksfall», von Peter Kuster, Ressortleiter Finanz und Wirtschaft, 31. Juli 2002.
  • «Ein unwiderstehliches Objekt der Begierde», von Dr. Gerhard Schwarz in der NZZ, 28. September 2002.
  • «Das 20-Milliarden-Franken-Problem», von Frau Katharina Fontana in der NZZ, 5. Oktober 2002.
  • «Botschaft über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung» des Bundesrates, Dokument 98.032 des EFD, vom 27. Mai 1998. Bei sorgfältiger Durchsicht der Botschaft sind es die Artikel 113.3 – 123.1 – 133.5 – 252.31 – 252.32 und 257, die besonders aufregend sind, wenn sie mit gesundem Menschenverstand und kritischer Vernunft gelesen und miteinander verknüpft werden.

Gestatten Sie mir bitte zum Abschluss ein paar ergänzende Bemerkungen, welche die Goldfrage der SNB als hochbrisantes Problem fortschreiben:

  • Die schweizerische Expertengruppe, die im April 1997 vom Vorsteher des Eidg. Finanzdepartement zur Ausarbeitung eines Botschaftsentwurfs für eine neue Währungsverfassung eingesetzt wurde, ist in ihrer Zusammensetzung bekannt. Die Überlegungen sind in ihrem Bericht «Der neue Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung» enthalten, der vom EFD am 24. Oktober 1997 publiziert wurde und aufgrund dessen die obgenannte Botschaft ausgearbeitet und dann am 27. Mai 1998 veröffentlicht worden ist.
  • Diese Expertengruppe hatte insbesondere auch die Frage zu beantworten, wie viel Gold die SNB nach der Loslösung des Frankens von der Goldbindung noch für geld- und währungspolitische Zwecke benötigen würde. Offenbar kam sie zum Schluss, dass die SNB nur rund die Hälfte des damaligen Goldbestands brauche. Das war erstens eine bemerkenswerte Steigerung nach den bei der Verkündung der «Solidaritätsstiftung» erwähnten «nur» 500 Tonnen Gold und zweitens ist der mit 1300 Tonnen quantifizierte «Überfluss» – es darf gestaunt werden – weder im Bericht der Expertengruppe noch in der Botschaft hinreichend abgehandelt. Insbesondere ist nirgendwo klar erklärt, weshalb wieviel Gold «überflüssig» sein soll.
  • Mysteriös ist der Schleier, mit dem die «guten Ratschläge» internationaler «Experten» verdeckt und geheimgehalten werden. Von offizieller Seite wird die Einflussnahme ausländischer Exponenten stets verneint: ich habe freilich nach ausgiebigen Recherchen absolut verlässliche Hinweise, dass solche tätig geworden sind. Wer die Botschaft aufmerksam studiert und über die Ausführungen nachdenkt, wird zustimmen müssen, dass Verbindungen existiert haben dürften. Weshalb wird knallhart geschwiegen?
  • Ebenso mysteriös ist die abrupte 180-Grad-Wende in der Beurteilung des Goldschatzes zwischen Juni 1996 und März 1997. Noch Mitte 1996 waren SNB-Goldverkäufe ein absolutes Tabu, wie mehrmals öffentlich und nachhaltig erklärt worden war, zuletzt auch noch vom derzeitigen Präsidenten der Direktion der SNB, Professor Jean-Pierre Roth. Ein halbes Jahr später, fast über Nacht, waren plötzlich 500 Tonnen Gold «überflüssig». (Es könnte sehr wohl sein, dass der nun geläufige Terminus «Überflussgold» in wenigen Jahren zum Unwort der helvetischen Geschichte gekürt und als historische Irreführung erkannt wird.)
  • Dieses Verhalten erstaunt, weil die SNB die Fragilität des internationalen Finanz-Systems kennen muss, schliesslich äussert sich die BIZ dazu oft und überaus deutlich. Und auch einige der hauseigenen Ökonomen haben den Durchblick.
  • Die SNB weiss ebenfalls, dass die Goldverkäufe die Aktivseite ihrer Bilanz schwächen, weil die Cash- und Festzins-Positionen der Aktiva an Bonität weiterhin verlieren werden; es kann doch nicht sein, dass die Spitzen der SNB an die «ewige Zahlungsfähigkeit der Staaten» glauben. Oder doch? Glauben sie tatsächlich daran, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit ein langer Zyklus mit exzessiver Verschuldung auf allen Ebenen eine sanfte Wende zum Besseren erfahren wird? Eigentlich undenkbar!

Fazit 5: Die SNB darf kein Gold verkaufen, weil dieses Edelmetall dereinst der einzige unproblematische Wert aller SNB-Aktiva sein wird; die bereits verkauften 610 Tonnen Gold werden von ernstzunehmenden kritischen Stimmen schon heute als «Sündenfall» bezeichnet. Der Verkauf von Gold ergibt keinen Sinn, es sei denn, die internationale Hochfinanz hätte schon konkret geplant, bei mit Sicherheit eskalierenden Schwierigkeiten im Welt-Finanz-System mit massiven Restriktionen und weiteren Manipulationen einzuwirken und die Märkte einmal mehr zu vergewaltigen. Das wäre immerhin eine plausible Erklärung für die Mitwirkung internationaler Exponenten bei der Geburt der neuen helvetischen Goldpolitik, die als Sturzgeburt empfunden werden muss.

Sehr geehrte Damen und Herren der Regierung und des Parlaments, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, Ihre rasche wohlwollende Beurteilung dieser verzwickten Sachlage und Ihre Bemühungen sowie Ihr gezieltes Einwirken für einen sofortigen Stopp der SNB-Goldverkäufe. Das Schweizervolk wird Ihnen zu grossem Dank verpflichtet sein, und Sie selber sichern sich bleibende Verdienste für Ihren Einsatz in einer äusserst schwierigen Phase unserer Geschichte.

 

Mit vielem Dank, besten Wünschen und freundlichen Grüssen 

Walter Hirt

 

WALTER HIRT

 

16. Oktober 2002 

An die Herren Generaldirektoren der
Schweizerischen Nationalbank
Börsenstrasse 15 / Postfach

8022 Zürich

 

  

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Herren Generaldirektoren

Sie erhalten eine Kopie meiner Petition an die Regierung in Bern und das Parlament. Ich habe mich nach reiflicher Überlegung zu diesem Vorstoss entschlossen, weil einerseits das Resultat meines Briefwechsels mit Herrn Dr. Georg Rich vom 28. Dezember 2000 bis 27. November 2001 unbefriedigend geblieben ist und ich mir von einer Fortsetzung mit anderen Vorzeichen wenig versprechen kann, und andererseits will ich einem Offenen Brief an die SNB ausweichen, da mit unqualifizierten Kommentaren an Ihre Adresse zu rechnen wäre.

Die Petition ist ausführlich begründet, weshalb ich hier auf Ergänzungen verzichten kann, zumal fast alle Punkte bereits im erwähnten Briefwechsel mit der SNB angesprochen worden sind. Ich weiss, ich habe einen schweren Stand, denn Sie scheinen wild entschlossen, mit dem seit rund anderthalb Jahren laufenden Prozedere fortzufahren. So nämlich muss ich den kurzen Beitrag von Dr. Gerhard Schwarz mit dem Titel «Die Nationalbank schaut zum <überschüssigen> Gold» (NZZ, 2. Oktober 2002) verstehen – die NZZ ist immerhin dazu übergegangen, den Terminus «überflüssig» prinzipiell in Anführungszeichen zu setzen. Und das Interview mit dem Präsidenten der SNB in der Aargauer Zeitung (2. September 2002) gibt mir ebenfalls wenig Hoffnung, dass die Nationalbanker den Betrug mit dem fortlaufend sich entwertenden Papiergeld («fiat money») nicht mitzutragen gewilllt wären.

Sie wissen, dass namhafte und ernstzunehmende Kritiker die bereits verkauften 610 Tonnen Gold als «Sündenfall» bezeichnen. Hoffentlich haben Sie wenigstens von dem im amerikanischen Fort Knox eingelagerten helvetischen Volksvermögen verkauft und nicht aus den Beständen unter dem Pflaster des Bundeshausplatzes in Bern oder der Zürcher Bahnhofstrasse. Die Ihnen bestens bekannten unerfreulichen Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen schliesslich, dass physischer Goldbesitz seinen vollen Krisenschutz nur als Eigentum mit direktem Zugriff gewährleisten kann.

Wenn das Schweizervolk dereinst erkennen muss, wieviel unsere «Mitsprache» in den Bretton-Woods-Instituten direkt und vor allem – materiell und ideell – indirekt kostet, muss sich unsere SNB eine sehr gute Argumentation einfallen lassen, zumal die gravierenden Folgen der globalen exorbitanten Geldschöpfung (Verschuldung) bestmöglich überspielt werden. Mit einem sofortigen Stopp der Goldverkäufe könnten Sie sich mindestens einen ersten Schritt zu dieser Argumentation sichern. Sie sind ja schliesslich völlig frei, Gold zu verkaufen oder eben nicht zu verkaufen! Oder liege ich damit falsch?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, allerbeste Wünsche für eine «gute Hand» an den Märkten und freundliche Grüsse 

Walter Hirt

 


Diese Petition mit Brief an SNB als PDF (15.3 KB)